Vortrag: Die Vier im Dodge
Veranstaltung des Wiener Stadt- und Landesarchivs zum Themenschwerpunkt im Wien Geschichte Wiki „Wien 1945 bis 1955. Stadtpolitik, Verwaltung, Alltag“ (in Kooperation mit dem Verein für Geschichte der Stadt Wien)
Vortragender: a. o. Univ.-Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner (Direktor i. R. des Heeresgeschichtlichen Museums)
Moderation: Univ.-Doz. Dr. Andreas Weigl
3. April 2025, 18:00, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Gasometer D, 11., Guglgasse 14 (4. Archivgeschoß; Zugang über Gasometer A und die Mall)
Am 3. April 2025 beschäftigte sich a. o. Univ.-Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner im Rahmen der zweiten Veranstaltung des Wiener Stadt- und Landesarchivs zum Themenschwerpunkt im Wien Geschichte Wiki „Wien 1945 bis 1955. Stadtpolitik, Verwaltung, Alltag“ mit der Besatzungszeit Österreichs nach 1945. Die Veranstaltung, die wieder in Kooperation mit dem Verein für Geschichte der Stadt Wien erfolgte, fand im abermals sehr gut besuchten Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs statt.
Dr. Rauchensteiner, der wohl intimste Kenner der „Besatzungszeit“ in Österreich, schilderte das Entstehen der Zweiten Republik von der Moskauer Deklaration des Jahres 1943 über die Vision Karl Renners, eines politisch linksorientierten Polizeistaates, die Gründung der Republik im April 1945 bis zum Kontrollabkommen vom 4. Juli 1945. Dort wurde die Vierteilung des Staates und der Stadt Wien sowie deren Verwaltung beschlossen. Renners Polizeistaatsidee scheiterte am Einspruch der Sowjets, die auch eine Beteiligung der christlichsozialen Politiker an der Regierung wünschten.
Am 11. September 1945 wurde die Militärkommandatur der vier Alliierten als oberste Instanz des Staates installiert, eine Woche später wurde die Wiener Stadtkommandatur eingerichtet und kurz darauf gab es in deren Aufbauorganisation interalliierte Militärpatrouillen in Form der ersten Vier vorerst im Jeep, die für Ruhe und Ordnung im gesamten Wiener Stadtgebiet sorgen sollten. Der Standort der Fahrzeuge befand sich in der Stiftskaserne, der Einsatz begann vorerst vor dem Palais Auersperg und später nach der Verlegung der Kommandatur ins Haus der Industrie in der Lothringerstraße und auf dem Heldenplatz. Sie waren die einzige Institution weltweit, wo die vier Großmächte in dieser Form kooperierten.
Das Bild der „Vier im Jeep“, die tatsächlich überwiegend in einem Dodge und später in bequemen Cevrolets unterwegs waren, haben sich als Symbol der Besatzungszeit nachhaltig im kollektiven Gedächtnis verankert. Sie waren vorerst zur Bekämpfung von Plünderungen, Übergriffen, Morden und anderen Straftaten, bald aber vorwiegend zur Eindämmung des Schwarzmarktes, nicht aber für die Verhinderung von Demonstrationen gegen die Regierung zuständig, wie im Mai 1947 und besonders im Oktober 1950. Die Zeremonie der Wachablöse zeigte Dr. Rauchensteiner anhand eines Filmausschnittes aus dem Jahr 1950. Nachdem die Wiener Polizei nach dem Rücktritt des KP-Innenministers Honner wieder gesetzeskonform arbeitete, gab es auch eine intensive Kooperation mit den interalliierten Militärpatrouillen.
Dr. Rauchensteiner schilderte schließlich die allmählich schwächer werdende Alliierte Präsenz in den ersten 1950er Jahren und das Verschwinden der „Vier im Dodge“ nach dem Staatsvertrag aus dem Wiener Stadtbild mit ihrem letzten Einsatz am 14. September 1955. Anhand von Zeitungsmeldungen bot er während seines Vortrages tiefe Einblicke in den Wiener Alltag und ein breites Panorama jener zehn Nachkriegsjahre von den ersten Nachkriegstagen bis zum letzten Händedruck der Alliierten im Jahr 1955. Dabei kamen auch die Gefahr einer Wienblockade durch die Sowjets 1948 ähnlich wie in Berlin, die zahlreichen Übergriffe der sowjetischen Besatzungsmacht und die Unterschiede zwischen den einzelnen Besatzungszonen zur Sprache.
Bericht und Fotos: Alfred Paleczny
Zur Person
a. o. Univ.-Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner, Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien (1966 Promotion), 1965-1968 Ausbildung am Institut für Österreichische Geschichtsforschung (Staatsprüfung 1968), 1975 Habilitation für österreichische Geschichte an der Universität Wien, 1996 Titel eines Außerordentlichen Universitätsprofessors. Lehraufträge an den Universitäten Wien und Innsbruck, der Militärakademie in Wiener Neustadt, an der Diplomatischen Akademie sowie an der Landesverteidigungsakademie Wien. Ab 1966 wissenschaftlicher Beamter im Heeresgeschichtlichen Museum – Militärwissenschaftliches Institut, 1988-1992 Leiter des Militärhistorischen Dienstes im Bundesministerium für Landesverteidigung, 1992-2005 Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, 1999-2006 Präsident der Österreichischen Kommission für Militärgeschichte. Nach seiner Pensionierung Koordinator und Berater beim Aufbau des Militärhistorischen Museums in Dresden.
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