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Veranstaltung: Wien 1945 bis 1955. Stadtpolitik, Verwaltung, Alltag

Veranstaltung des Wiener Stadt- und Landesarchivs zum Themenschwerpunkt im Wien Geschichte Wiki „Wien 1945 bis 1955. Stadtpolitik, Verwaltung, Alltag“ (in Kooperation mit dem Verein für Geschichte der Stadt Wien)

13. März 2025, 18:00, Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Gasometer D, 11., Guglgasse 14 (4. Archivgeschoß; Zugang über Gasometer A und die Mall) sowie Online-Raum


Am 13. März 2025 fand im bis auf den letzten Platz gefüllten Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs die erste Veranstaltung des Wiener Stadt- und Landesarchivs zum Themenschwerpunkt im Wien Geschichte Wiki „Wien 1945 bis 1955. Stadtpolitik, Verwaltung, Alltag“ statt, wobei es wieder eine Kooperation mit dem Verein für Geschichte der Stadt Wien gab.

Univ.-Doz. Dr. Andreas Weigl wies einleitend auf die über 60 Beiträge hin, die im Wien Geschichte Wiki verfügbar sind. Er verwies dabei auf die zahlreichen Archivbestände, die von der „Alliierten Verbindungsstelle“ in der Magistratsdirektion, über den Teilnachlass von Bürgermeister Theodor Körner bis zur „Sonderkommission“ zum Zweck der Entnazifizierung im Gemeindedienst reichen.

Univ.-Doz. Dr. Andreas Weigl (Foto: Alfred Paleczny)

Auch die Dokumentation von Kriegsschäden und der Wiederaufbau bilden sich in Akten, kartographischen Quellen und Fotosammlungen des Archivs ab. Schwerpunkte sind die Besatzung durch die vier alliierten Siegermächte, deren Beziehungen zum Wiener Bürgermeister, der Verwaltung und zur Bevölkerung, weiters die Bevölkerungsbewegungen, die Versorgungslage besonders durch die Lieferung von Hilfsgütern, das Gesundheitswesen, der Schwarzmarkt und der Einfluss der Alliierten auf die Kulturpolitik. Besonderes Augenmerk liegt im Wien Geschichte Wiki auch auf der Infrastruktur der Alliierten von ihren Wohnverhältnissen bis hin zur Freizeitgestaltung, wobei wichtige Orte auf einer interaktiven Karte dargestellt werden. Ebenso beleuchtet werden die Lebensumstände in der Nachkriegszeit, die herausfordernden Jahre des Wiederaufbaus und die halbherzige Entnazifizierung.

Vortragssaal (Foto: Alfred Paleczny)

Mit dem letztgenannten Thema beschäftigte sich Archivdirektorin Dr.in Brigitte Rigele, wobei sie zwischen der „wilden“ Entnazifizierung in den ersten Wochen nach Kriegsende vor allem außerhalb von Österreich, der justiziellen Entnazifizierung durch die Volksgerichte und der bürokratischen Entnazifizierung unterschied, die durch sieben Gesetze zwischen den Jahren 1945 (Verbotsgesetz) und 1957 (NS-Amnestie-Gesetz) geregelt wurde.

Archivdirektorin Dr.in Brigitte Rigele (Foto: Alfred Paleczny)

Sie schilderte die komplizierte Aufbau- und Ablauforganisation, die durch die gesetzlich vorgeschriebene Selbstregistrierung aller ehemaligen Mitglieder der NSDAP und vor allem der Verwaltungsbediensteten notwendig wurde. Diese führte zu zahlreichen Berufseinschränkungen und -verboten sowie zu zahllosen dadurch erfolgten Berufungsverfahren vor allem bis 1948. Ein besonderes Problem war die Rekrutierung der neuen Richter, weil es hier keinen reaktivierbaren Bestand aus den Reihen der Sozialdemokratie, sondern weitgehend nur aus dem „Ständestaat“ gab. Dr.in Rigele zeigte auch anhand von Beispielen, wie viele Österreicherinnen und Österreicher versuchten, ihre Vergangenheit in der Zeit vor 1945 zu verschleiern, und damit auch Erfolg hatten.

Im dritten Referat widmete sich Dr.in Birgit Knauer von der Technischen Universität Wien dem Thema „Wien im Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg: Bewahrung des Stadtbildes und Wiedergeburt einer Weltstadt“. Nach den umfangreichen Zerstörungen in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs folgte eine der entscheidendsten Phasen der Transformation in der Geschichte der Stadt, die ihr Erscheinungsbild nachhaltig prägte.

Dr.in Birgit Knauer (Foto: Alfred Paleczny)

Zu den dringendsten Aufgaben nach Ende der Kriegshandlungen zählten neben der Wohnraumwiederherstellung die Trümmerräumung und die Instandsetzung des Gas-, Wasser- und Stromversorgungsnetzes. Im Zuge des Wiederaufbaus wurden jedoch nicht nur Themen der Stadt- und Verkehrsplanung diskutiert und bearbeitet, sondern auch über die Erhaltenswürdigkeit der historischen Stadt und die Bedeutung des Stadtbildes debattiert. Die Stadtstruktur wurde weitgehend beibehalten, viele historische Gebäude, vor allem der Stephansdom und die Staatsoper wurden als Symbole des Wiederaufbaus in jahrelanger Arbeit im weitgehend alten Zustand wiedererrichtet, während andere trotz eines bestehenden Denkmalsschutzes durch Neubauten (zum Beispiel das Palais Sina und der Heinrichshof) ersetzt wurden. Bei diesen Überlegungen war nicht nur der bauliche Zustand ausschlaggebend, vielmehr wurde hier auch über Werte und die Bedeutung der Architektur für die Stadt verhandelt. Eine besondere Situation ergab sich durch die Präsenz der vier Besatzungsmächte, die auch auf Aufgabenbereiche der Denkmalpflege Einfluss ausübten.

Dr.in Birgit Knauer (Foto: Alfred Paleczny)

Dr.in Knauer zeichnete ein teilweise neues Bild der Stadt Wien nach Kriegsende und der baulichen Transformation der Stadt in den Jahren 1945–1955. Sie rückte nicht nur die weithin bekannten Neubauprojekte der 1950er Jahre, sondern auch damalige Strategien und Planungen zur Erhaltung des historischen Baubestands in den Fokus und betonte die Intensität und Dynamik der Debatten über Bewahrung und Veränderung.

Bericht und Foto: Alfred Paleczny

Zur Person

Dr.in Birgit Knauer, Studium der Kunstgeschichte und Romanistik an der Universität Wien, 2018 Promotion zum Thema Stadtplanung und Denkmalpflege in Wien in den 1930er Jahren an der TU Wien. Von 2020 bis 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Bamberg. Seit 2020 Forschung und Lehre am Forschungsbereich für Denkmalpflege und Bauen im Bestand der TU Wien, vor allem zur Architektur der Nachkriegsmoderne und zu Diskurs und Praxis von Städtebau und Denkmalpflege im 20. Jahrhundert;  laufendes Projekt zu Wiederaufbaupraxis in Österreich während und nach dem Zweiten Weltkrieg.

Univ.-Doz. Dr. Andreas Weigl, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Wiener Stadt- und Landesarchivs und Lehrender am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt Wien, Vorsitzender des Österreichischen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung und Viktor-Adler-Preisträger für Geschichte der Sozialen Bewegungen, Arbeiten zur Bevölkerungs-, Konsum-, Stadtgeschichte und Sozialgeschichte der Medizin.


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